Page 107 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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des Zweiten Weltkriegs von der Wehrmacht samt dem Gebäudebestand wieder in deut-
häufig zu unterschiedlichen Zwecken für Hilfs- schen Besitz über und wurde zunächst treu-
dienste herangezogen wurden, teils freiwillig, händerisch vom bayerischen Landesamt für
teils dienst- oder notdienstverpflichtet. Beson- Vermögensverwaltung übernommen.
ders die Luftwaffe hatte seit Kriegsbeginn einen Die Landesregierung in München hatte
gewaltigen Bedarf an weiblichen Hilfskräften, sich anfangs dafür ausgesprochen, das Heilstät-
die, obwohl teilweise uniformiert und auch der tenlager für industrielle und gewerbliche Zwe-
Wehrmacht unterstellt, keinen eigenen militäri- cke zu verwenden. Doch die Verantwortlichen
schen Status besaßen. Sie wurden im Flugmel- in Fürth gaben nicht auf und konnten sich
de-, Funkmess- und Luftwarndienst sowie als schließlich in München mit ihrer Ansicht
Flakhelferinnen beschäftigt, die ab 1943 zur durchsetzen, dass es sich »– abgesehen von der
Hilfeleistung bei der Flugabwehr, zum Beispiel Notwendigkeit – […] glänzend für Wohnzwe-
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bei der Scheinwerferbedienung, eingesetzt cke eigne.« Es waren insbesondere auch eini-
wurden, und seit 1944 auch soldatische Aufga- ge örtliche SPD-Politiker, der Flüchtlingskom-
ben am Geschütz übernahmen. missar für Stadt- und Landkreis Fürth, Fritz
Die Baracken lagen etwa fünf Kilometer Rupprecht (1897–1990) sowie die Stadträte
von der Stadtgrenze entfernt im Fürther Stadt- Hans Rupprecht (1882–1955), der auch enga-
wald an der Heilstättenstraße im Stadtteil Ober- giert im Baugenossenschaftswesen tätig war,
fürberg, ungefähr auf halbem Weg zur hier und Willi Fischer (1904–1951), später Abge-
namengebenden ehemaligen Lungenheilstätte, ordneter sowohl im Land- als auch im Bundes-
die seit 1934 ebenfalls von den Nationalsozial- tag, die sich gemeinsam mit ihren sudetendeut-
sten vereinnahmt worden war. 1903 zur schen Parteifreunden dafür einsetzten, dass in
Bekämpfung der Tuberkulose, die in den ärme- der Heilstättensiedlung die Heimatvertriebe-
ren Bevölkerungsschichten Fürths grassierte, nen eine Bleibe finden sollten. Willi Fischer
errichtet, war die Heilanstalt nach deutlichem hatte noch im April 1948 in letzter Sekunde
Rückgang an Erkrankungen ab Ende der verhindern können, dass das Lager gesprengt Die SPD-Politiker Willi
1920er Jahre seit 1933 geschlossen worden. Seit wurde, wodurch »diese Chance der Wohnungs- Fischer (oben), Fritz
1934 wurde sie als SA-Schulungsheim genutzt, notmilderung für Fürth verloren gegangen« 2 Rupprecht (Mitte) und Hans
gegen Ende des Krieges auch als Krankenhaus wäre. Rupprecht (unten) engagier-
für Wehrmachtssoldaten. Als Nächstes galt es zu entscheiden, wer ten sich für ihre sudeten-
Nachdem das Barackenlager von den Ausbau und Verwaltung des Wohnlagers über- deutschen Parteifreunde
Besatzungsmächten geräumt worden war, ging nehmen sollte. Es stand zwar bereits fest, dass und setzten sich dafür ein,
das circa 75.000 Quadratmeter große Gelände, die zukünftigen Bewohner sich zu einer Bauge- dass sie in der Heilstätten-
für das zuerst die Bezeichnung »Heilstättenla- nossenschaft zusammenschließen sollten, die- siedlung eine neue Heimat
ger«, schnell aber »Heilstättensiedlung« ser sollte aber lediglich das Nutzungsrecht für fanden. Fotografien 1949,
gebräuchlich wurde, am 23. Oktober 1948 mit- die Wohnsiedlung übertragen werden. An 1960 und 1950.
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