Page 70 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Während nach dem Ersten Weltkrieg viele  da »[d]urch die bedeutend stärkere Belegung
                                      Menschen und ganze Familien zwar vielleicht  der Wohnraumflächen […] eine erheblich
                                      nur ein Zimmer zur Verfügung, aber zumindest  stärkere Beanspruchung der Wohnungen
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                                      ein richtiges Dach über dem Kopf hatten, so  ein[tritt]« .
                                      musste ein Großteil der jetzt Zugezogenen auf  Das Wohnungsamt besaß auch das Recht,
                                      engstem Raum, zum Teil in Notunterkünften  die Wohnungen politisch Belasteter zu
                                      wie ehemaligen Bunkern, Schulen und Turn-  beschlagnahmen und anderweitig zu vergeben,
                                      hallen ausharren oder in provisorischen  etwa an Opfer der nationalsozialistischen
                                      Behausungen wie Gartenlauben, Kellern oder  Herrschaft, kinderreiche Familien oder Invali-
                                      Ruinen zurechtkommen. Mit dem Gesetz  de, die bei der Wohnungsvergabe bevorzugt
                                      Nr. 18, dem sogenannten Wohnungsgesetz vom  zu behandeln waren. Auch zehn Volkswohl-
                                      8. März 1946, bemühte sich der Alliierte Kon-  Wohnungen waren von derartigen »Ausmie-
                                      trollrat, die Probleme in den Griff zu bekom-  tungen« betroffen.
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                                      men und auf dem Gebiet des Wohnungswesens  Die Wohnungsbewirtschaftung wirkte sich
                                      Rechtssicherheit zu schaffen. Demnach waren  auch hemmend auf den Mietwohnungsbau aus.
                                      Wohnungsämter – sofern nicht bereits vorhan-  Im Gegensatz zum gewerblichen Bau und dem
                                      den – einzurichten. Sie allein waren für die  im Dienstleistungssektor, der bald nach der
                                      Vergabe von Wohnraum zuständig. Sämtliche  Währungsreform wieder in Schwung kam,
                                      leer stehenden oder frei werdenden Räume  stellte er keine attraktive Geldanlage dar. Man-
                                      mussten gemeldet werden. Eine Kartei gab  gelte es vor dem Währungsschnitt hauptsäch-
                                      Auskunft über den Wohnungsbestand sowie  lich an Baustoffen, so vereitelte jetzt fehlendes
                                      dessen Belegung, des Weiteren führten die  Kapital viele Bauvorhaben. Der private Bau
                                      Wohnungsämter Listen mit Bewerbern. Im  wurde überwiegend von zahlungskräftigen
                                      Rahmen dieser Wohnraumbewirtschaftung  Bauherren getragen, die sich oft stattliche
                                      durften die Behörden einen Wohnungstausch  Wohnsitze schufen, oder es entstanden Häuser
                                      anordnen, um eine bessere Verteilung zu  in viel Eigenleistung. Dagegen blieb die Neu-
                                      gewährleisten, oder bestehenden Haushalten  bautätigkeit beim Kleinwohnungsbau vorerst
                                      zusätzliche Bewohner zuweisen.         weitgehend gelähmt. Auch bei Volkswohl ver-
                                         Auch Volkswohl-Wohnungen waren hier-  zögerte sich die Wiederaufnahme einer eigenen
                                      von nicht ausgenommen, manche Mitglieder  Bautätigkeit immer wieder aufs Neue. Ein für
                                      hatten wahrscheinlich auch freiwillig obdach-  1948 angekündigtes Bauprogramm kam nicht
                                      lose Bekannte oder Verwandte bei sich aufge-  zur Ausführung, und auch das Folgejahr brach-
                                      nommen. Auf jeden Fall sah sich die Verwal-  te noch nicht den erhofften Neustart beim
                                      tung veranlasst, die Genossenschaftsmitglieder  Wohnungsbau.
                                      sowie deren Untermieter zu einem pfleglichen
                                      Umgang mit ihren Wohnstätten aufzufordern,
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