Page 59 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Genossinnen und Genossen, die sich ja der –                                    Konrad Ulrich hatte sich am
       christlichen – Gewerkschaftsbewegung zuge-                                     1. Mai 1933 zum Eintritt in die
       hörig fühlten, sich gegen eine Vereinnahmung                                   NSDAP entschlossen; ein Vor-
       durch das neue Regime zu stemmen versuch-                                      gehen, wie es vielerorts bei
       ten. Wohl genau aus diesem Grund verwies der                                   Genossenschaftsvorständen
       bereits ganz im nationalsozialistischen Geist                                  zu beobachten ist, die auf
       verfasste Geschäftsbericht des Jahres 1933                                     diese Weise ihr Amt weiter
       darauf, »daß […] hier unbedingt Reorganisati-                                  ausüben konnten. Daher
       on geschaffen werden mußte.« 2                                                 liegt hier die Vermutung
          Obwohl sich einige Mitglieder offenbar bis                                  nahe, dass Ulrich, zumal er
       zum Schluss gegen die »Gleichschaltung«                                        keiner weiteren NS-Organi-
       wehrten, konnte sie letztlich nicht verhindert                                 sation angehörte, aber auch
       werden und wurde zwei Monate später, am 26.                                    in Anbetracht der weltan-
       Juni 1933, »trotz Widerspruchs einiger Mitglie-                                schaulichen Ausrichtung
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       der« unter Aufsicht des NSDAP-Ortsgruppen-                                     seines bisherigen sozial-
       leiters vollzogen. Sich dem Diktat der Partei  Ansinnen – offenkundig mit der Unterstützung  politischen Wirkens, diesen
       beugend, trat die Verwaltung nahezu geschlos-  durch »den Herrn Reichspräsidenten, Herrn  Schritt keineswegs aus poli-
       sen von ihren Ämtern zurück und wurde neu  Reichskanzler und die Reichsregierung« 4  tischer Überzeugung,
       »gewählt«. Bei der Neubesetzung des Vorstan-  gerechnet.
                                                                                      sondern lediglich aus zweck-
       des behielt allein Konrad Ulrich seinen Posten  Dies geht aus einem Schreiben des besagten
                                                                                      dienlichen Gründen voll-
       als Erster Vorstand und Geschäftsführer, den er  Meinert an das Staatsministerium für Wirt-
                                                                                      zogen hatte, um »seine«
       bereits seit Gründung der Genossenschaft  schaft, Abteilung Arbeit und Fürsorge, vom 5.
                                                                                      Genossenschaft nicht gänz-
       innehatte.                             Juni 1933 hervor, in dem er daraufhin die Vor-
                                                                                      lich den Nationalsozialisten
          In der Baugenossenschaft der Kriegsbe-  standschaft durch Schmähungen und Verleum-
                                                                                      auszuliefern. NSDAP-
       schädigten waren ebenfalls Anstrengungen  dungen aufs Übelste als betrügerische, »min-
                                                                                      Mitgliedsausweis.
       unternommen worden, sich einer Bevormun-  derwertige […] Charaktere« in einem »drecki-
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       dung durch die NSDAP zu entziehen. Die  gen Betrieb« verunglimpft und damit deren
       Genossenschaftsleitung hatte sogar beim  Absetzung begründet, die bereits wenige Tage
       zuständigen Staatsministerium Beschwerde  zuvor in der Generalversammlung vom 26. Mai
       eingereicht über die Einmischung in die Ange-  1933 vollzogen worden war. Die bisherige Ver-
       legenheiten der Genossenschaft durch den  waltung war geschlossen zum Rücktritt genö-
       NSDAP-Kreisobmann von Mittelfranken des  tigt worden und wurde ausnahmslos durch
       Nationalsozialistischen Reichsverbandes deut-  regimekonforme Kräfte ersetzt, wobei Hans
       scher Kriegsopfer e.V., Hans Meinert, und  Meinert persönlich »zur Ueberwachung der
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       dabei – ein aus heutiger Sicht etwas naiv anmu-  Gleichschaltung« anwesend war und in dieser
       tendes und selbstverständlich vergebliches  Funktion auch eine nach dem Verfahren auf-
         58     Im Nationalsozialismus 1933–1945
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