Page 39 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Positiv zu vermerken war außerdem im staltung hie und da aufgelockert durch wenig Erste Seite eines
Jahr darauf die Anerkennung von Volkswohl hervortretende kleine Erker, Balkone, Loggien »Nutzungs-Vertrages«
als gemeinnützige Genossenschaft im Sinne und Zwerchgiebel. Der Historismus der Kaiser- für das Mitglied Nr. 36
der Gemeinnützigkeitsverordnung von zeit war aus der Architektur verbannt, die sach- für eine im ersten Stock
1929/30. Damit wurden erstmals die Bedin- liche Ästhetik sollte dabei auch die politische gelegene Wohnung in
gungen für die Gewährung von Steuererleich- Wende zur Republik zum Ausdruck bringen. der Ludwigstraße 96 ab
terungen für Wohnungsunternehmen, die bis- Wie groß der Bedarf an Wohnungen war, dem 1. September 1932.
lang in mehreren Landes- und Reichsgesetzen zeigt der rege Zustrom an Mitgliedern. Ihre Es war eine monatliche
unterschiedlich festgelegt waren, reichseinheit- Zahl steigerte sich von Jahr zu Jahr fast konti- Miete von 25 Mark und
lich geregelt. nuierlich, von 181 Ende 1921 auf 296 im Jahr zehn Pfennigen zu ent-
Im Jahr 1932, zehn Jahre nach dem Bezug darauf. Wieder ein Jahr später war die Marke richten.
der ersten beiden Wohngebäude in der Ludwig- von 400 erreicht, und im Jahr des zehnjährigen
Bei einer Baugenossen-
straße, verfügte Volkswohl über die stattliche Bestehens waren 730 Genossen und Genossin-
schaft sind die Mitglieder
Anzahl von 30 Häusern mit insgesamt 269 nen registriert. Viele von ihnen konnten trotz
keine Mieter, sondern
Wohnungen und hatte nach dem ersten Grund- aller Anstrengungen nicht zügig mit Wohnun-
Wohnungsnutzer.
stück noch drei weitere in unmittelbarer Nähe gen versorgt werden, wie immer wieder ent-
Im Text wird dennoch
zu diesem bebaut. Der vierte Bauplatz – etwas täuscht konstatiert werden musste. 25 Prozent
einfachkeitshalber der
weiter westlich der bisherigen Grundstücke aller fertig gestellten Wohnungen wurden
Begriff »Mieter« ver-
gelegen – war 1931 hinzugekommen. Damit daher an die besonders »dringend bedürftigen
wendet.
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war durch das zielstrebige Handeln der Genos- Mitglieder vergeben« , von denen die meisten
senschaft ein beachtliches Areal in der wach- noch nicht in einer eigenen Wohnung lebten.
senden Südstadt an der Ludwig-, Erhard- Es konnte jedoch immer nur ein kleiner Teil
Segitz-, Kaiser- und Steubenstraße, bis hin zur von Wohnungsgesuchen dieser Art berücksich-
Schwabacher-, Daniel-Ley- und Neumannstra- tigt werden. Auf eine Wohnung mit einer der-
ße erschlossen. artigen »Dringlichkeitsstufe« kamen beispiels-
Alle Volkswohl-Bauten dieses ersten Jahr- weise im Jahr 1925 sieben Bewerber. Auch für
zehnts, durchgehend geplant und entworfen die übrigen Mitglieder war die Wartezeit auf
von Architekt Hans Bogner aus Nürnberg, eine Genossenschaftswohnung lang. Im Jahr
waren in Blockrandbebauung errichtet, das 1927 war gerade einmal ein gutes Drittel aller
heißt, die Häuserfront schloss direkt an die zu diesem Zeitpunkt 499 Mitglieder unterge-
Straße an. Ohne auf »ein gediegenes und vor- bracht, die Wartezeit auf eine Wohnung betrug
nehmes Aussehen« 20 zu verzichten, wurden sie vier bis fünf Jahre.
in einer für die 1920er Jahre üblichen, weitge-
hend schnörkellosen und geradlinigen Ausfüh-
rung mit nur einigen sparsam verwendeten
Schmuckelementen realisiert, die Fassadenge-
38 Volkswohl 1920–1933