Page 11 - Volkswohl Fürth - 100 Jahre
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Zentren mangelte es bald an kleinen und mitt-                                  Victor Aimé Huber
       leren Wohnungen für Geringverdiener – die in                                   engagierte sich bereits
       großer Zahl vom Umland zuwandernden                                            seit den 1840er Jahren
       Arbeiter, aber auch kleine Handwerker und                                      in Deutschland für die
       einfache Angestellte. Der Wohnungsbau konn-                                    Idee der Baugenossen-
       te mit dem oft geradezu explosionsartigen                                      schaften, die er auf
       Wachstum, das viele Industriestandorte erleb-                                  einer Englandreise
       ten, meist in keiner Weise Schritt halten. Kom-                                kennengelernt hatte.
       merzielle Wohnungsbauunternehmer errichte-
       ten zwar repräsentative, große Bauten für
       Wohlhabende, sahen aber den Kleinwohnungs-
       bau wegen der aufwendigeren Grundrissgestal-
       tung und erhöhten Kosten für Treppenhäuser,
       Flure oder Aborte als nicht rentabel an. Zudem
       scheuten sie den hohen Verwaltungsaufwand,
       der bei der Vermietung an viele Parteien anfiel,  Die öffentliche Hand sah die Bereitstellung
       und fürchteten eine hohe Fluktuation der Miet-  von Wohnraum für sozial Schwache ebenfalls
       parteien. Wenn private Bauherren sich den-  nicht als ihre Aufgabe an, im Gegensatz etwa
       noch auf den Kleinwohnungsbau einließen,  zu Versorgung mit Gas und Elektrizität oder
       dann waren sie darauf bedacht, eine möglichst  dem Ausbau der Kanalisation. Sehr zögerlich
       große Anzahl an Wohnungen auf einem    wurde ab etwa den 1880er Jahren die Woh-
       Grundstück beziehungsweise in einem Haus  nungsfrage in den Stadtparlamenten aufgegrif-
       unterzubringen, um den erwarteten Gewinn zu  fen, ohne jedoch einen gewichtigen Raum in
       erwirtschaften. Der Baugrund wurde also  der politischen Arbeit einzunehmen. Nur ver-
       maximal ausgenutzt, was eine hohe Bebau-  einzelt traten die Städte selbst als Bauherren
       ungsdichte zur Folge hatte. Es entstanden die  für Kleinwohnungen auf.
       mehrgeschossigen Mietskasernen mit ihren  Konkrete Anregungen für die Schaffung
       typischen dunklen Hinterhöfen und Rückge-  von ausreichenden und bezahlbaren Wohnun-
       bäuden. In die engen Wohnungen, höchstens  gen für Geringverdiener gingen daher zunächst
       zwischen 20 und 45 Quadratmeter groß, mit  von privater Initiative aus: weniger von Betrof-
       der Toilette auf dem Gang oder im Treppen-  fenen selbst als vielmehr von fortschrittlich
       haus und oft nur einem heizbaren Zimmer,  gesinnten Sozialreformern aus bürgerlichen
       drang kaum Tageslicht. Schlecht zu belüften  Kreisen.
       und feucht wurden diese Wohnungen zu Brut-  Als Pionier auf dem Gebiet genossenschaft-
       stätten für ansteckende Krankheiten, insbeson-  lichen Bauens in Deutschland gilt der Publizist
       dere der Tuberkulose.                  und Literaturprofessor Victor Aimé Huber
         10     Genossenschaften
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